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Joachim Brüß

Zwischen Gewaltbereitschaft und Systemvertrauen. Eine Analyse zu aggressivem antisozialem Verhalten zwischen deutschen, türkischen und Aussiedler-Jugendlichen

Migration und soziale Dominanz

Mehrere Autoren befassten sich bereits mit dem Phänomen, dass vermehrt Gruppen, die eine dominante Rolle in einer Gesellschaft besitzen, das Eindringen neuer Gruppen abwehren, um die eigenen sozialen Positionen zu sichern. Zum Beispiel kommt es in Deutschland nach wie vor zu rechtsextremen Ausschreitungen zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Den Immigranten geht es dabei vor allem um die Wahrung ihrer Rechte. Lt. Brüß (2002) ist das Vertrauen in das Rechtssystem besonders wichtig für Einwanderer um die soziale Distanz zu den Einheimischen abzubauen (vgl. Brüß 2004, S.202).

  1. Antisoziales Verhalten und Konfliktlösungspräferenzen

Forschungen haben festgestellt, dass antisoziales Verhalten besonders oft bei jungen Männern mit geringer Schulbildung auftritt. Vor allem wenn diese Männer eine antisoziale Erziehung erlebt haben und sich auch in solchen Gruppen bewegen. Besonders im Alter zwischen acht und 17 Jahren neigen Männer zu einem antisozialen Verhalten. Bei jungen Frauen zeigt sich eine ganz andere Tendenz. Im Gegensatz zu ihren männlichen Altersgenossen, ist für Frauen die Konfliktlösung durch Verhandlungen ein sehr wesentlicher Punkt (vgl. Brüß 2004, S.202f).

  1. Die Analyse

In der Analyse der Universität Bielefeld wird davon ausgegangen, dass die Jugendlichen das Alter von 17 Jahren bereits überschritten haben. Es wird das Vorkommen von aggressiven, antisozialen Aktivitäten zwischen deutschen, türkischen und Aussiedler-Jugendlichen überprüft. Zudem wird davon ausgegangen, dass Respekt und Ehre für die Jugendlichen eine große Rolle in Konflikten spiel. Untersucht wird an Hand von vier Einflussfaktoren:

  1. Einstellung zur Gewalt bzw. Gewaltbereitschaft
  2. Orientierung an sozialer Dominanz
  3. Abschwächend für aggressives antisoziales Verhalten
  4. Vertrauen in das Rechtssystem
    (vgl. Brüß 2004, S. 203f)
    1. Methoden

Die Teilnehmer wurden befragt, wie häufig sie Mitglieder der anderen Gruppen seit den letzten Sommerferien:
- absichtlich geärgert haben,
- absichtlich Streit mit ihnen angefangen haben,
- einen von ihnen verprügelt haben
- einem von ihnen etwas weggenommen haben,
- einem von ihnen etwas zerstört haben
(vgl. Brüß 2004, S.204)

    1. Untersuchungsgruppe

Die Grundgesamtheit der Studie bezieht sich auf Jugendliche der Klassen 10, der vier hauptsächlichen Schultypen (Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien) in Nordrhein-Westfalen, die aus deutschen, türkischen und Aussiedler-Familien kommen. Die Verteilung der Untersuchungsgruppe liegt bei 78 % deutschen-, 6 % türkischen- und 10 % Aussiedler-Jugendlichen. Die restlichen 6 % verteilen sich auf andere ethnische Gruppen. An der Untersuchung beteiligten sich 11.246 Schüler (vgl. Brüß 2004, S. 205).

    1. Ergebnisse

Inter-ethnische aggressive Aktivitäten stellen eher die Ausnahme dar. Aggressive Aktivitäten gegenüber deutschen Jugendlichen stellen mit 0,7 bis 1,7 % die Mehrheit dar. Die Aggressivität richtet sich in 0,6 bis 0,7 % der Fälle gegen türkische Jugendliche. Am wenigsten betroffen sind Aussiedler-Jugendliche in zwischen 0,4 und 0,9 % der Fälle. Die geschlechtsspezifische Analyse zeigte außerdem, dass junge Männer einer jeden Gruppe häufiger in inter-ethnische aggressive antisoziale Aktivitäten involviert waren als junge Frauen. Im gruppenspezifischen Vergleich fiel auf, dass die befragten deutschen Jugendlichen hauptsächlich von ebenfalls deutschen Mitschülern attackiert wurden, während sich die Jugendlichen der Migrantengruppen gegenseitig angriffen und auch gegenüber deutschen Jugendlichen aggressives Verhalten an den Tag legten. Das liegt wahrscheinlich vor allem auch daran, dass es für Migranten wesentlich leichter ist auf deutsche Jugendliche zu treffen als umgekehrt, da im Untersuchungsgebiet der Anteil der Deutschen bei 78 % liegt (vgl. Brüß 2004, S.206f).

Im Allgemeinen sprachen sich die meisten Jugendlichen gegen die Gewalt aus. Jedoch sprachen sich eher deutsche und Aussiedler-Jugendliche dagegen aus, als türkische Jugendliche. Die Frage nach der sozialen Dominanz, dh. dass man am liebsten der stärksten Gruppe angehört, beantworteten die meisten mit „Nein“. Dagegen wurde der Konfliktlösung durch Verhandlung eindeutig von allen Seiten zugestimmt. Auch das Vertrauen in das Rechtssystem ist für alle Jugendliche ein entscheidender Faktor für besseres Zusammenleben.
Generell ist für Männer die soziale Dominanz wichtiger, und auch die Gewaltbereitschaft ist bei Männern höher als bei Frauen. Für Frauen stellt die Konfiktlösungsstrategie Verhandeln einen wichtigen Aspekt dar. Insgesamt wurde von den Jugendlichen verdeutlicht, dass ihnen sehr viel an einem guten Miteinander unter allen Rassen liegt (vgl. Brüß 2004, S. 208f).

 

Quelle

Brüß, J. (2004).Zwischen Gewaltbereitschaft und Systemvertrauen. Eine Analyse zu aggressivem antisozialem Verhalten zwischen deutschen, türkischen und Aussiedler-Jugendlichen. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 51, 200-210.München: Ernst Reinhardt Verlag.


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