Ernst-H. Hoff, Stefanie Grote, Susanne Dettmer, Hans-Uwe Hohner & Luiza OlosZeit für sich selbst spielt bei der Work-Life-Balance eine zentrale Rolle, wobei Work-Life-Balance bedeutet, dass man ausreichend Zeit für die Dinge hat, die einem bei der Arbeit oder im Privatleben wichtig sind. Zeit für die eigene Person heißt dabei, den eigenen Gedanken nachhängen zu können, bestimmte Fähigkeiten zu kultivieren und sich von Arbeits- und Sozialstress abzugrenzen.
Übrigens: Nach Ansicht mancher ist Work-Life-Balance ist eine der unsinnigsten Erfindungen der Beratungs- und Coachingindustrie, und dass es tausende Strategien dafür in Büchern gibt, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass keine einzige davon tatsächlich funktioniert. Siehe dazu: Stress in Beruf und Freizeit.
Zwei Hauptgründe werden für die Popularität des Begriffes und der Thematik der Work-Life-Balance genannt. Zunächst ist die Wandlung der Arbeit an sich zu nennen, da diese, vor allem in hoch qualifizierten Berufen, schwieriger von dem Privatleben zu trennen ist, da sich der Arbeitnehmer durch die komplexen Situationen im Berufsleben ganzheitlich in die Aufgabe einbringt. Der zweite Punkt, der die Begründung der Brisanz des Themas Nahrung gibt, ist die Tatsache, dass sich die Erwerbstätigkeit der Frauen im Laufe der letzten Jahre gewandelt hat und immer noch im Begriff ist, sich zu wandeln. Durch die Notwenigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie scheint es logisch, dass das Thema der Lebensgestaltung und Balance auch für das weibliche Geschlecht von zunehmender Wichtigkeit erfüllt ist.
Die Autoren bedienten sich zweierlei Untersuchungsmethoden, um quantitative und qualitative Analysen der Lebensgestaltung von Frauen und Männern, die als PsychologInnen oder MedizinerInnen tätig sind, eruieren zu können: ein Fragebogen erhob in ca. 1000 Fällen die Berufsverläufe, die alltägliche Lebensgestaltung sowie die biographische Lebensgestaltung der Befragten, während Interviews mit ca. 100 Probanden die qualitativen Merkmale hinsichtlich der Formen der Lebensgestaltung dienlich waren:
Quantitative Analyse und Ergebnisse
Zur alltäglichen Lebensgestaltung ist zu sagen, dass die Psychologen signifikant weniger Zeit für die Arbeit, dafür signifikant mehr zeit für die Familie und die häuslichen Pflichten aufwenden. Was die Angleichung der Lebensformen von Frauen und Männern betrifft, kann festgestellt werden, dass deutlich weniger dieser berufstätigen Frauen einen Partner haben, der nicht erwerbstätig ist und sich der Aufgabe der Familien- und Haushaltsbetreuung widmet, während die sehr erfolgreichen Männer deutlich mehr Kinder und Partnerinnen, die keinen Beruf ausüben haben.
Qualitative Analyse und Ergebnisse
Die Formen der Lebensgestaltung betreffend, kann angemerkt werden, dass weniger der ausgeübte Beruf der Partner als die Partnerwahl als ausschlaggebendes Kriterium für die gemeinsame Lebensgestaltung zu nennen ist. Dabei ist zu beachten, dass im Falle von ähnlichen Berufsfeldern der Partner eher eine Integration stattfindet. Sind die Partner in völlig differenten Aufgabengebieten tätig, so kann häufiger eine Segmentation der Lebensgestaltung beobachtet werden.
Grisslich et al. (2012) befragten 491 StudenInnen, wie viel Zeit sie für ihre Arbeit, für andere und für sich selbst hatten, wobei sie drei Balance-Faktoren berücksichtigten – genug Zeit für die Arbeit, für andere und für sich selbst zu haben. Die Befragten litten am seltensten unter körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen, wenn sie genügend Zeit für ihre Freunde oder die Familie hatten, über sich selbst nachdenken konnten und für die täglichen Pflichten bei der Arbeit hatten (vgl. S. 173). Zeit für sich selbst bestimmte zu einem Großteil das Ausmaß, mit dem man gesund blieb, wobei diese Zeit durch Freizeit mit anderen nicht ersetzt werden konnte. Allerdings legen die Ergebnisse auch den Schluss nahe, dass Selbst-Zeit allein ohne Arbeits- oder soziale Zeit auch nicht hilfreich ist, sodass man vermutlich allen drei bis zu einem gewissen Ausmaß nachgehen sollte, um gesund zu bleiben: Arbeit, Miteinander, Alleinsein. Eine bessere Lebensbalance hatte dabei, wer sich selbst motivieren konnte und an sich selbst glaubte. Selbststeuerungsfähigkeit („Ich kann gut meine Anspannung verringern, wenn man mich nerv.“) und Selbstwertgefühl („Alles in allem bin ich zufrieden mit mir“) bestimmten, ob jemand alle drei Zeitkomponenten gut ausbalancieren konnte. Die Autoren schlussfolgern daher (vgl. S. 175), dass ein dreidimensionales Life-Balance-Modell (Arbeits-, Selbst- und soziale Zeit) die Gesundheit besser voraussagen als das zweidimensionale Balance-Modell (Arbeits- und Freizeit).“
Grisslich, Pia, Proske, Antje & Körndle, Hermann (2012). Beyond Work and Life: What Role Does Time for Oneself Play in Work-Life Balance? Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 20, 166-177.
Hoff, E., Grote, S., Dettmer, S., Hohner, H.-U. & Olos, L.(2005). Work-Life-Balance: Berufliche und private Lebensgestaltung von Frauen und Männern in hoch qualifizierten Berufen. Zeitschrift für Arbeits- u. Organisationspsychologie, 49, 196-207.