Psychologische Begriffsbestimmungen

Egozentrismus 

Der Begriff Egozentrismus (oder Egozentrizität) geht auf den Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget zurück, der damit vor allem eine kindliche Geisteshaltung beschreibt. Man bezeichnet damit vor allem die Unfähigkeit, sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen bzw. den Blickwinkel eines anderen einzunehmen. So besitzt ein egozentrisches Kind keine Vorstellung über sein eigenes „Ich“, d.h. Gegenstände existieren nicht, wenn sie außerhalb des Gesichtsfeldes sind (aus den Augen – aus dem Sinn). Dieses Denken besteht während der gesamten Kindheit! Dies zeigt sich vor allem am klarsten beim Säugling, welcher nicht einmal die Hände und Füße als Teile seines Körpers empfindet [1].

Als Ergebnis seiner Arbeit unterteilte Piaget die geistige Entwicklung des Kindes in 4 Phasen: Die sensomotorische Phase (von der Geburt bis zum Alter von 2 Jahren), die präoperative Phase (von 7 bis 7 Jahren), die operative Phase (von 7 bis 12 Jahren) sowie die formale operative Phase (von 12 bis 15 Jahren) [2].

Weiters unterteilt er den Egozentrismus in drei Unterformen: Realismus, Animismus und Artifizialismus [3].

Die Überwindung des Egozentrismus wird laut Piaget durch Erfahrung und Speicherung unterschiedlicher Ansichten sowie durch sozialen Austausch, durch Widerspruch und Konflikt der unterschiedlichen Ansichten möglich.

Eine klassische Demonstration der egozentrischen Perspektive ist Piagets „Drei-Berge-Versuch“ [4, 5].

Zusammenfassende Definition:

Unter Egozentrismus versteht man eine fehlerhafte Weltsicht - vor allem bei Säuglingen und Kindern – die keine Vorstellung über ihr eigenes „Ich“ besitzen. Dieses Denken besteht während der gesamten Kindheit, wobei andere Gesichtspunkte als die eigenen nicht begriffen werden.

Verwendete Literatur

WWW: http://de.wikipedia.org/wiki/Egozentrismus (06-03-26)

Encarta Enzyklopädie, Standard 2003

Piaget, Jean: Das Weltbild des Kindes. Dtv, 7. Auflage 2003. ISBN 3-12-926321-7

 WWW: http://paedpsych.jku.at/ARBEITSBLAETTERORD/
LITERATURORD/Zitation.html
(06-03-26)

Billmann-Mahecha, E. (1990). Egozentrismus und Perspektivenwechsel. Göttingen: Dr. C.J. Hogrefe


Siehe auch das
Lexikon für Psychologie und Pädagogik

Zu weiteren psychologischen Begriffen


Egozentrismus bedeutet totale bzw. überwiegende Ich-Bezogenheit. Abgesehen von krankhaften Ausformungen des Egozentrismus ist vor allem das frühkindliche Denken durch ihn bestimmt (vgl. Köck & Ott 1976, S. 155).

„Egozentrismus bedeutet die extrem ich-bezogene Einstellung des Subjektes zur sozialen Umwelt bzw. zur objektiven Realität, die die gesamte Widerspiegelungstätigkeit bestimmt und die umgangssprachlich auch als Selbstsucht bezeichnet wird“ (Clauß 1976, S. 116).

Im Psychologischen Wörterbuch des Hans Huber Verlages findet man nur die Begriffserklärung für den „Egozentrismus des Kindes“, was als „das wenig bewegliche und nicht differenziert anschauliche Denken des Kleinkindes“ (Dorsch 1976, S. 138) erklärt wird.

„Egozentrismus heißt im allgemeinen Sprachgebrauch die Einstellung eines in seiner eigenen Welt befangenen Menschen, der seine Umwelt nur von seinem Standpunkt aus erfährt und beurteilt“ (Ritter 1972, S. 317).

In dieser Abfrage wird als Egozentrismus die Unfähigkeit bezeichnet, den Blickwinkel eines anderen einzunehmen, bzw. sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen (vgl. Friedl 2001, online im Internet). 

Den Begriff „Egozentrismus“ findet man detailliert beschrieben in den Pädagogischen Lexika der Universität. Ausführlichere Erklärungen findet man einmal im historischen Wörterbuch der Philosophie von Ritter und im Wörterbuch der Psychologie von Clauß. Der „Egozentrismus des Kindes“ wird in allen verwendeten Literaturen zumindest kurz beschrieben. Im psychologischen Wörterbuch von Dorsch wird hingegen nur der Begriff „Egozentrismus des Kindes“ beschrieben.

Zusammenfassende Definition: Egozentrismus ist die extrem ich-bezogene Haltung gegenüber der Umwelt und kommt vor allem im frühkindlichen Denken zum Vorschein.

Verwendete Literatur:

Friedl, J. (2001). Wie kommt das Kind zur Sprache.
Online im Internet: WWW: http://wrzx05.rz.uni-wuerzburg.de sopaed1/breitenbach/
entwicklungspsychologie/sprachentwicklung1.pdf (05-10-26).

Köck, P. & Ott, H. (1976). Wörterbuch für Erziehung und Unterricht
(S. 155). Donauwörth: Ludwig Auer Verlag.

Clauß, G. (1976). Wörterbuch der Psychologie (S. 116). Köln: Pahl Rugenstein Verlag.

Dorsch, F. (1976). Psychologisches Wörterbuch (S. 138). Bern Stuttgart Wien: Hans Huber Verlag.

Ritter, J. (1972). Historisches Wörterbuch der Philosophie (S. 317-319). Stuttgart: Schwabe & Co Verlag.

 

Egozentrismus ist ein entwicklungspsychologischer Begriff und geht vor allem auf Piaget zurück. Das „Wörterbuch für Erziehung und Unterricht“ beschreibt Egozentrismus als „…totale bzw. überwiegende Ichbezogenheit. Abgesehen von krankhaften Ausformungen des Egozentrismus ist vor allem das frühkindliche --> Denken durch ihn bestimmt… Das Selbst steht für das Kleinkind im Mittelpunkt aller Beziehungen und alles Existierende hat seiner Meinung nach Sinn und Zweck auf dieses sein Selbst hin.“[1] (Köck, P. & Ott, H. 1976, S.95)

Im Kleinen Pädagogischen Wörterbuch wird Egozentrismus mehr als Tendenz als interpretiert. Jedoch geht man auch hier genau auf das egozentristische Denken des Kindes ein: „Egozentrismus, 1. die Tendenz, den eigenen Standpunkt für den einzig richtigen zu halten; damit verbundne ist die Unfähigkeit, soziale Spielregeln zu beachten, und das Streben, immer im Mittelpunkt zu stehen 2. die Eigenart des kindlichen à Denkens bis zum 6. Lebensjahr…“[2] (Keller, J.A. & Novak, F. 1993, S.99)

Das Buch „Klassiker der Pädagogik“ beschreibt den Begriff Egozentrismus nur im Zusammenhang des kindlichen Denkens: „…stellt eine gleichsam vorobjektive Erkenntnisform dar, die das Denken des Kindes in allen Bereichen (im kognitiven, sozialen, kommunikativen, moralischen Bereich) beherrscht. Für das Kind gibt es noch kein Bezugssystem außer seiner eigenen Perspektive… Ungefähr im Alter von sieben/acht Jahren vollzieht sich eine entscheidende Wende, die Überwindung des Egozentrismus…“[3] (Scheuerl, H. 1979, S.304-304) Es wird also auf eine allgemeine Definition weitgehend verzichtet.

Im Literaturbereich der Psychologie beschreibt das „Psychologische Wörterbuch“ den Begriff ebenfalls im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Kindes: „Egozentrismus des Kindes, das wenig bewegliche und nicht differenziert anschauliche Denken des Kleinkindes, das sich nur auf wenige Dimensionen der Wirklichkeit zentriert. Es ist noch unfähig, Standpunkte und Betrachtungsweisen von anderen zu übernehmen.“[4] (Hacker, H. & Stapf, K.H. 1994, S.180)

Zimbardo beschreibt in seinem Buch „Psychologie“ den Begriff Allgemein, jedoch auch im Zusammenhang mit den kindlichen Aspekten: „Das präoperationale Denken ist durch Zentrierung Charakterisiert- die Aufmerksamkeit richtet sich auf einen einzigen Gegenstand oder ein einzelnes Merkmal. Das Kind kann nicht mehr als einen Wahrnehmungsgesichtspunkt gleichzeitig berücksichtigen…[5] (Zimbardo, P.G. 1995, S.75) Nebenbei wird ein Experiment um eine egozentristische Denkweise des Kindes nachzuvollziehen beschrieben.

Zusammenfassend kann Egozentrik als das eigene Ich in den Mittelpunkt stellende, vom eigen Ich aus denkende und handelnde und alles auf das eigene Ich beziehende Haltung beschrieben werden, die vor allem Kinder unter 6 Jahren einnehmen.


[1] Köck, P. & Ott, H. (1976). Wörterbuch für Erziehung und Unterricht. 1800 Begriffe aus den pädagogischen, psychologischen und sozialen Bereichen für Pädagogen, Erzieher, Eltern, u.a. (S.95). Donauwörth: Ludwig Auer

[2] Keller, J.A. & Novak, F. (1993).Kleines Pädagogisches Wörterbuch. Grundbegriffe Praxisorientierungen Reformideen (S.99). Freiburg im Breisgau: Herder

[3] Scheuerl, H. (1979). Klassiker der Pädagogik. Zweiter Band. Von Karl Marx bis Jean Piaget (S.303-304). München: C.H. Beck

[4] Hacker, H. & Stapf, K.H. (1994).Psychologisches Wörterbuch. 12. Auflage (S.180). Bern: Hans Huber

[5] Zimbardo, P.G. (1995). Psychologie. 6. Auflage (S.75). New York: Berlin Heidelberg

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