Psychologische Begriffsbestimmungen/7

Transfer

Unter Transfer versteht man die Auswirkung von früher Erlerntem auf weiteres Lernen. Wird der Lernvorgang vom vorherigen Lernen gehemmt, spricht man von einem negativen T.. Wirken sich die frühern Lernerfahrungen fördernd auf das weitere Lernen aus, handelt es sich um einem positiven T.. Von einem Null-T. spricht man, wenn die Lernsituation weder eine Beeinträchtigung noch eine Erleichterung hervorruft.

1. Definition

Transfer (engl.) steht für den deutschen Ausdruck Übungs- oder Lernübertragung und bedeutet sich auf den Einfluss von früher Erlerntem auf nachfolgendes lernen zu beziehen. Man unterscheidet zwischen negativen T. (spätere Lernvorgänge werden von früheren gehemmt), positiven T. (die Lernvorgänge werden gefördert) und Null-T. (die Leistungen werden überhaupt nicht beeinflusst) (vgl. Wulf 1989, S. 589).

2. Definition

Man spricht von einem T.  (Lernübertragung, Mitlernen), wenn zwei verschiedene Lernvorgänge sich gegenseitig beeinflussen. Fördert oder erleichtert das Lernen von A den Lernvorgang B spricht man von einem positiven T.; hemmt oder erschwert A den Vorgang B, handelt es sich um einen negativem T.; bei Lernvorgängen, die sich neutral verhalten (nicht beeinflussen), vom Nulltransfer. Weiters unterscheidet man zwischen lateralen T. und vertikalen T. Unter lateralem T. versteht man hohe, komplexe Fertigkeiten die weniger komplexe voraussetzen. Beim Vorhandensein der niedrigeren Fähigkeiten, die das Erlernen der höheren erleichtert spricht man von einem vertikalen T (vgl. Herder 1971, S. 238).

3. Definition

„Die Konzepte Transfer und Diskrimination sind Gegenpole. Transfer bedeutet Übertragung von Gelerntem auf neue, veränderte Situationen; Diskrimination meint die Fähigkeit, Unterschiede zwischen Situationen, Reizen und Reaktionen zu erkennen und das Verhalten darauf abzustimmen“ (Otto & Schulz 1985, S. 164).

4. Definition

„Von T. (Übertragung) spricht man, wenn früher Gelerntes weiteres Lernen erleichtert (positiver T.) oder erschwert (negativer T.). Positiver T. wird in der Regel umso größer, je ähnlicher die Lerninhalte sind. Man unterscheidet den T. von Elementen (z.B. beim seriellen Lernen), von Regeln (z.B. Übertragung des Lösungsprinzips von einer Aufgabe auf andere) und generelle T. Effekte (z.B. Erhöhung der allg. Lernbereitschaft und –fähigkeit). Die → kybernet. Päd. Unterscheidet manifesten T. (der sich schon in erhöhten Vorkenntnissen zeigt) und latenten T. (der erst durch das raschere Anwachsen der → Kompetenz erkennbar und messbar wird). → formale Bildung“ (Herder 1971, S. 687).

5. Definition

Als Transfer bezeichnet man die Übertragung von Lernergebisse und Erkenntnisse von einer bestimmten Situation auf eine andere. Erfolgt eine Übertragung in die Breite und auf eine Vielzahl ähnlicher, jedoch anders gelagerter Situationen, spricht man von lateralem oder horizontalem T. Werden jedoch anspruchsvollere Voraussetzungen (z.B.: Begriffe, Regeln, …) benötigt, um höhere, komplexere Bereiche zu erfassen, handelt es sich um einen vertikalen T..

Jeder T., egal ob lateral oder vertikal, bewirkt Verhaltensänderungen. Wirken sich früher erworbene Lernerfahrungen auf nachfolgende Leistungen erleichternd aus, spricht man von einem positiven T.. Wird das nachfolgende Lernen durch den vorigen Verhaltensvorgang beeinträchtigt, handelt es sich um einen negativen T..  Von einen Null-T. spricht man, wenn sich weder eine positive noch eine negative Auswirkung auf die nachherige Lernsituation ergibt (vgl. Köck & Ott 1994, S. 408).

Verwendete Literatur

Böhm, W. (1994). Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart: Alfred Körner Verlag.

Herder, (1971). Lexikon der Pädagogik. Vierter Band. Freiburg: Verlag Herder KG.

Köck, P. & Ott, H. (1994). Wörterbuch für Erziehung und Unterreicht. Donauwörth: Verlag Ludwig Auer.

Otto, G. & Schulz, W. (1985), Enzyklopadie Erziehungswissenschaft. Band 4. Stuttgart: Ernst Klett Verlage GmbH u. Co. KG.

Wulf, C. (1989). Wörterbuch der Erziehung. München: R. Piper & Co. Verlag

Psychologie-Lexikon

„Übertragung von erfolgreichen Strategien beim ->Problemlösen auf ähnliche Aufgaben.“ (Tewes & Wildgrube 1992, S. 376)

Das moderne Lexikon

„Übertragung, Umwandlung; bes. Zahlungsleistungen an das Ausland in Devisen.“ (Müller 1980, S. 424)

Lexikon der Pädagogik

1.     „Wenn zwei verschiedene Lernvorgänge sich gegenseitig beeinflussen, spricht man von Transfer. (Lernübertragung, Mitlemen). Erleichtert das Lernen von A den Lernvorgang B, handelt es sich um positiven Transfer, erschwert A den Vorgang B, spricht man von negativem Transfer; bei Lernvorgängen, die sich nicht beeinflussen, vom Nulltransfer.

2.     R.M. Gagné unterscheidet lateralen Transfer und vertikalen Transfer. Unter lateralem Transfer versteht er die Übertragung einer erlernten Fertigkeit auf ähnliche Situationen, die etwa auf demselben Komplexitätsniveau liegen wie der ursprünglichen Situation. Leistungsfähigkeiten lassen sich aber auch in Lernhierarchien anordnen in dem Sinn, dass es höhere, komplexere Leistungen gibt, die weniger komplexe voraussetzen. Das Vorhandensein der niedrigeren Fähigkeiten erleichtert das Erlernen der höheren; dieses Phänomen heißt vertikaler Transfer.“ (Rombach 1971, S.238.)

Pädagogisches Lexikon

„Der Ausdruck Transfer, wörtlich: Übertragung der Übung gesprochen.

Beim Transfer handelt es sich um eine sehr allgemeine Erscheinung, von der viele, wenn nicht alle Lernvorgänge im täglichen Leben, in der Schule und im Beruf betroffen sind.“ (Horney, Ruppert & Schultze 1971, S 1203)

Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie

„Wir verstehen vorläufig unter Transfer die unter bestimmten Bedingungen erfolgende Umsetzung und Anwendung von früheren Lernerfahrungen auf neue oder ähnliche Lern- und Verhaltenssituationen. Transfer kann und muss erlernt werden; er ist in lernpsychologischer Sicht eine Sonderform von Lernen (-> Lernen und Lerntheorien). Weil er aber im didaktischen Feld oft vernachlässigt wird, erscheint es berechtigt, in pragmatisch-didaktischer Absicht Transfer als eine relativ eigenständige Lern- und Lehrphase zu bezeichnen (->Didaktik)

2.2. Einige Schlüsselelemente des Begriffs Transfer

(a) Positiver und negativer Transfer: Es ist zu unterscheiden zwischen Transfer als Produkt und als Prozess. Von positivem Transfer spricht man dort, wo ein Lernprozess durch vorausgegangene Lernakte zeitlich, qualitativ, quantitativ oder generell verbessert wird. Eine neue Aufgabe wird als Folge früherer Lernprozesse erfolgreicher gelöst. Negativer Transfer behindert bzw. beeinträchtigt entsprechend. Das kann geschehen durch zeitliche oder sachstrukturelle Interferenzen, durch inadäquate Anwendung erlernter Methoden, Techniken oder Prinzipien.

(b) Vertikaler und lateraler Transfer: In Bezug auf den Prozess und zugleich in Bezug auf die Sachstruktur von Transfer-Inhalten hat Gagné die oben genannte Unterscheidung vollzogen. Vertikaler Transfer geschieht dort, wo >>die erlernten Fähigkeiten eines Niveaus auf das Erlernen weiterer Fähigkeiten auf höherem Niveau<< Einfluss nehmen. Lateraler Transfer meint die Anwendung und Umsetzung von Lerninhalt A auf Lerninhalt B und/oder Lerninhalt C und/oder Lerninhalt D usw. Es handelt sich um die Aktualisierung von erworbenen Lernprodukten oder Operationen in analog komplexen oder sachähnlichen Situationen. Dieser Transfer ist abhängig von der >>Weite der Generalisierung<<. >>Je breiter eine erlernte Leistungsfähigkeit fundiert ist, umso größere Chancen bietet sich für den Transfer auf neue Situationen<<.“ (Schiefele & Krapp 1981, S. 381f) 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Alle Lexika, außer das „Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie“ verwenden zur Beschreibung des Begriffes „Transfer“ das Wort Übertragung. Wobei im modernen Lexikon der Begriff eher für Zahlungsleistungen verwendet wird und im Psychologie-Lexikon eher zur Übertragung von Strategien auf Aufgaben. Das pädagogische Lexikon verwendet den Begriff vor allem im Bereich eines Lernprozesses. Das Lexikon der Pädagogik und das Handlexikon zur psychologischen Pädagogik unterscheiden den Begriff in positiven und negativen Transfer. Weiters beziehen sie sich auch auf R.M. Gagné. Dieser hat den Begriff „Transfer“ unterschieden in vertikalen und lateralen Transfer.

Meine Definition des Begriffes „Transfer“!

Übertragung von Daten, Menschen, Wissen oder Gegenstände von einem Ort zu einem anderen.

Verwendete Literatur

Tewes, U. & Wildgrube, K. (1992). Psychologie-Lexikon. R. Oldenbourg Verlag München Wien

Schiefele, H. & Krapp, A. (1981). Handlexikon zur Pädagogischen Psychologie. Ehrenwirth

Horney, W. & Ruppert, J.P. & Schultze, W. (1971). Pädagogisches Lexikon. Bertelsmann Fachverlag

Rombach, H (1971). Lexikon der Pädagogik. Herder: Freiburg Basel Wien

Müller, H.F. (1980). Das moderne Lexikon. Bertelsmann Fachverlag


Siehe auch das
Lexikon für Psychologie und Pädagogik

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