„Besonders im Grundschulalter zeigt sich aus Seiten der Eltern ein einschlägiger Beratungsbedarf“ (vgl. Elbing 2000; Graf, Hanses, Pruisken, Rost & Schilling 2002; Schilling et. Al., 2002 zit. nach Pruisken 2004, S. 2).„Diese wünschen sich neben der schulischen Förderung angemessene, besondere Freizeitangebote für ihre Kinder“ (vgl. Rost 1993 zit. nach Pruisken 2004, S. 2).
„Eltern geben ihre Kinder häufig in Kurse, um einen ‚Ausgleich’ und soziale Kontakte zu gewährleisten. Bis jetzt ist jedoch nicht belegt, dass diese Angebote auch diese Anforderungen erfüllen“ (vgl. Feger 1987, Hany 1999, Heller 1986 zit. nach Pruisken 2004, S. 2).
„Verschiedene angebotene Aktivitäten stoßen auf große Nachfrage, jedoch ist, m.W. nicht untersucht, was sich Hochbegabte als Ausgleich wünschen. Diese Annahme erlaubt zum einen nicht den Schluss, dass hochbegabte Kinder gewisse Spezialinteressen haben. Eltern und Lehrer scheinen manchmal die Meinung zu haben, dass Hochbegabte seltene und ausgefallene Hobbys bräuchten, damit diese Angebote anderen, weniger ‚exotischen’ Angeboten vorgezogen werden. Vor allem bei jüngeren Kindern beeinflussen die Eltern die Kurswahl. Zum anderen muss für diese Kurse keine Bestätigung über Hochbegabung vorliegen und somit nehmen auch ‚normale’ Kinder daran teil und daher ist nicht erwiesen, was sich Hochbegabte wirklich wünschen“ (vgl. Pruisken 2004, S. 2).
Interessen und Hobbys im Grundschulalter und zu Beginn der weiterführenden Schule
„Zu den Interessen von Grundschulkindern existieren nur wenige quantifizierbare Untersuchungen“ (vgl. Todt 1987 zit. nach Pruisken 2004, S. 3). „Kinder scheinen erst ab einem gewissen Alter in der Lage zu sein, zeitstabile und valide Selbsteinschätzungen vorzunehmen, daher werden Fragebögen erst am Ende der Grundschulzeit ausgeteilt. Und somit ist nicht klar für was sich Kinder in und während der Grundschule wirklich interessieren. Kinder scheinen erst später die Einschätzung ihrer Kompetenzen und Interessen zu entwickeln“ (vgl. Tracey 2001 zit. nach Pruisken 2004, S. 3). „Studien zu diesen Themen erfolgen nur selten aufgrund einer bestimmten Interessenstheorie. Zu Beginn der weiterführenden Schule verfügen Kinder über ein breites Spektrum an Interessen und Freizeitbeschäftigungen“ (vgl. Furtner-Kallmünzer, Hössl, Janke, Kellermann & Liski 2002 zit. nach Pruisken 2004, S. 3). „Kinder und Jugendliche die viel fern sehen gehen in geringerem Spektrum anderen Aktivitäten nach“ (vgl. Myrtek & Scharff 2000 zit. nach Pruisken 2004, S. 3). „Beliebte Beschäftigungen sind organisierte Sportveranstaltungen“ (vgl. Pieper 1998, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 1999 zit. nach Pruisken 2004, S. 3). „Auch zwischen den Geschlechtern muss unterschieden werden, Auswirkungen merkt man im Verhalten der Kinder“ (vgl. Büchner et al. 1993, Elskemper-Mader et al. 1991, Rost & Hanses, 1994, Zinnecker & Silbereisen 1996 zit. nach Pruisken 2004, S. 4).
Typische Interessen Hochbegabter: Checklisten und Ratgeber
„Verschiedene Ratgeber bieten Überblicke über Interessen und gewisse Erkennungsmerkmale für diese. Doch jene Überblicke gehen oft auf eine einzelne Studie zurück“ (vgl. Pruisken 2004, S. 4).
„Auch hier stößt man auf methodische Defizite. Nicht immer werden wirklich Hochbegabte untersucht, oder es erfolgt eine Auswahl über die Lehrer- oder Elternnomination“ (vgl. Ferdinand 1961, Hanses & Rost 1998, Pegnato & Birch 1959, Rost & Hanses 1997, Schrader 2001, Wild 1991, 1993 zit. nach Pruisken 2004, S. 5). „Heterogene Altersgruppen erschweren die Interpretation der Ergebnisse“ (vgl. Pruisken 2004, S. 5). „Es fehlen wichtige Kontrollgruppen und es kommt häufig zu unzulänglichen Auswertungen“ (vgl. Rost 1991 zit. nach Pruisken 2004, S. 5).
„Eine derartige Befragung erfolgt oft mit selbst zusammengestellten Fragebögen und somit ist kein einheitliches Ergebnis gegeben“ (vgl. Pruisken 2004, S. 5).
„Vor allem Kinder in der und um die fünfte Klasse wurden befragt. Kleine Stichproben, Vorselektionen, unklare Definitionen und unberücksichtigte andere Faktoren verweisen auf unzulängliche Stichproben. Painter erstellte eine recht zufrieden stellende und genaue Studie, auch Rost und Hanses sowie Witty und Lehmann erstellten gute Studien. Jedoch lassen diese drei Studien Platz für Kritik. Anderson, Cox und Harty & Beall bieten wiederum methodisch-schwächere Studien“ (vgl. Cassel & Hendsch 1962, Painter 1981, Rost & Hanses 1992, 1993, 1994, Terman 1925, Witty &Lehmann 1927 zit. nach Pruisken 2004, S. 7).
„Im Vorschulalter wird den Kindern meist eine größere Reife nachgesagt“ (vgl. Barnett & Fiscella 1985, Kitano 1985 zit. nach Pruisken 2004, S. 7).
„Die Interessen im Grundschulalter betreffen vor allem Freizeitbeschäftigungen und zum Teil die Schule. In der weiterführenden Schule werden die Unterschiede relevanter, denn hier rücken die Berufswahl und die Schwerpunksetzung näher“ (vgl. Pruisken 2004, S. 7).
„Rost und Hoberg konnten in einer unausgelesenen Stichprobe aus Jugendlichen der 9. Schulstufe wenige Unterschiede zwischen hoch- und durchschnittlich Begabten feststellen. Die Hochbegabten zweigten nur weniger Interesse bezogen auf Medien, Konsum und vergnügungsorientierter Freizeitgestaltung“ (vgl. Hoberg & Rost 2000 zit. nach Pruisken 2004, S. 7).
„Die Forschungslage zu den Interessen und Freizeitbeschäftigungen Hochbegabter ist weniger Aussagekräftig. Es dominieren Mutmaßungen und verschiedene Meinungen. Es fehlen thematisierte Behauptungen förderpraktische Relevanz. Die Mehrzahl der zitierten Arbeiten weisen in der Mehrzahl der Interessensgebiete keine Unterschiede auf. Hochbegabte neigen früher auf höherem Niveau zu lesen und haben eine positive Einstellung zu Naturwissenschaften und der Forschung. Die Ergebnisse sind jedoch fast nur Resultate von Stichproben. Es können noch keine, durch empirische Befunde abgesicherten Empfehlungen für die inhaltliche Ausrichtung der Förderungen gegeben werden und um empirisch belegte Aussagen über die Interessen Hochbegabter treffen zu können, sind solide Studien erforderlich, die die bis jetzt vernachlässigten Kriterien berücksichtigen“ (vgl. Pruisken 2004, S. 8).
Pruisken, Chr. (2004). Interessen und Freizeitbeschäftigung hochbegabter (Grundschul-)Kinder. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 18, 1-14.
Bevor auf den Artikel eingegangen wird, soll kurz eine Begriffsdefinition gegeben werden. Unter „Hochbegabung“ versteht eine hohe Ausprägung der allgemeinen Intelligenz, während „Interessen“ personentypische Einstellungen bezüglich Gegenständen und Tätigkeiten beschreiben.
1.2 Einleitung
Aufgrund des Interessenanstieges an Hochbegabung und an speziellen Freizeitangeboten für Hochbegabte, bieten mittlerweile verschiedene (Hochbegabten-) Vereine und diverse öffentliche und private Institutionen spezielle Workshops für Hochbegabte an. Obwohl die angebotenen Kurse auf große Nachfrage stoßen, ist man sich wissenschaftlich noch nicht über die Interessenslage der Hochbegabten einig, da es an soliden Studien fehlt.
1.3 „Typische“ Interessen Hochbegabter
Ratgeber weisen auf Geschlechtsunterschiede innerhalb der kleinen Gruppe der Hochbegabten hin: Während hochbegabte Mädchen über ein breiteres Interessenspektrum verfügen und sich häufig den Leistungen und Interessen der Mitschüler anpassen, tendieren hochbegabte Buben zu Spezialgebieten.
„Checklisten“ gehen davon aus, dass Hochbegabte an sehr vielen Dingen interessiert sein sollen und sich bei der Verfolgung dieser oft lange konzentrieren können. Weiters interessieren sich Hochbegabte oft für „Erwachsenenthemen“ wie Religion, Philosophie, Politik, Umweltfragen, Sexualität und Gerechtigkeit der Welt. Inwieweit diese Thesen jedoch die Realität widerspiegeln wurde wissenschaftlich noch nicht belegt.
Untersuchungen an Kindern im Grundschulalter zeigten, dass im Allgemeinen keine herausragenden Unterschiede zwischen den Interessen der Hoch- und durchschnittlich Begabten festzuhalten sind. Einzig beim Lesen zeichnen sich Unterschiede ab, da Hochbegabte mehr und auf höherem Niveau lesen und sich vor allem für Inhalte interessieren, die (mathematisches) Denken erfordern.
Um weitere aussagekräftige Aussagen zu den Interessen Hochbegabter treffen zu können, sind Studien erforderlich, die einer sorgfältig ausgewählten repräsentativen Stichprobe nachgehen.
1.5 Forschungsstand zu Interessen Hochbegabter
Aufgrund der mangelnden soliden Forschung zu den Interessen Hochbegabter und der schlecht durchgeführten Stichproben, weist die Hochbegabungsforschungsliteratur große Defizite auf. Die Mehrzahl der vorhandenen Studien beruht auf schriftlichen Befragungen, wobei nicht immer nur ausschließlich Hochbegabte „untersucht“ werden. Häufig werden neben nicht standardisierten Tests und Fragebögen auch selbst zusammengestellte Listen zur Befragung herangezogen, die einen Vergleich der Ergebnisse zusätzlich erschweren.
Pruisken, C. (2004). Interessen und Freizeitbeschäftigungen hochbegabter (Grundschul-) Kinder. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, Seite 1-10.