Aus Psychologischen Fachzeitschriften

Die Entwicklung der Leistungsmotivation im Vorschulalter

Soziale Bewertungen und ihre Auswirkungen auf Stolz-, Scham- und Ausdauerreaktionen

Holodynski versuchte mit einer Studie die Leistungsmotivation und Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben von Kindern im Vorschulalter zu erforschen und Theorien empirisch zu belegen. 

Kleinkinder versuchen mit ihrem Handeln einen physikalischen Effekt zu erzielen, während bei leistungsmotivierten Handlungen die Ergebnisse auf einen Tüchtigkeitsmaßstab bezogen werden und als Erfolg oder Misserfolg wahrgenommen werden können. Indikatoren für leistunsmotiviertes Handeln sind Stolz und Scham.   

Stipek ist der Ansicht, dass Stolz und Scham bereits ab drei Jahren autonom bei Kindern auftreten, während Holodynski davon ausgeht, dass die Anwesenheit eines Erwachsenen dazu nötig ist. 

Stipek und Holodynski stimmen überein, dass Kinder bis zum dritten Lebensjahr ausschließlich wirksamkeitsmotiviert Handeln und keinen Stolz bzw. Scham für ihr Handeln empfinden. Darüber hinaus entdecken sie, dass ihr Handeln bewertet wird (mit Wertschätzung oder Missbilligung) und sie versuchen herauszufinden was Wertschätzungen verursacht. Stipek ist außerdem der Meinung, dass Kinder dieses Alters auch autonom ihr Handeln an Tüchtigkeitsmaßstäben bewerten und daher auch Scham und Stolz empfinden. Holodynski stimmt dieser Ansicht zu, da bei allen bisher durchgeführten Studien Leistungsmotivation in einem sozialen Umfeld getestet wurde.   

In Holodynskis Studie sollen drei Hypothesen geprüft werden. Die erste Hypothese besagt, dass Kinder nur leistungsmotiviert Handeln, wenn ein vertrauter Erwachsener anwesend ist. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass eine erfolgsorientierte Interventionsstrategie (Aufmunterung, Lob) mehr Stolz bei Erfolgen und weniger Scham bei Misserfolgen bewirkt. Der positive Einfluss einer erfolgsorientierten Interventionsphase auf das zukünftige Leistungsverhalten ist Inhalt der dritten Hypothese.   

Um dies zu beweisen, wurde ein Versuch mit 19 Buben und 19 Mädchen im Alter von 42 bis 81 Monaten in zwei städtischen Kindertagesstätten durchgeführt. Die Kinder bekamen 6 Puzzles mit steigendem Schwierigkeitsgrad - einmal alleine und einmal in Anwesenheit eines ihnen vertraut gemachten Versuchsleiters - die es zu lösen galt. Bei einer Gruppe verfolgte der Versuchsleiter eine erfolgsorientierte Interventionsstrategie (affektiv loben, dosiert loben, Aufmunterung und positive Anreize), bei der anderen eine misserfolgsorientierte (jede Wertschätzung vermeiden, sachlich freundliche Antworten und Informationen, eher abwertende Bemerkungen).

Anhand von Videoaufnahmen wurden die Art und Intensität von Emotionen und Ausdauer bei der Aufgabenbearbeitung ausgewertet. 

Bei der Auswertung der Interventionsphase

ergaben sich folgende Ergebnisse: in der Alleinbedingung reagierte kein Kind mit Stolz oder Scham. In der Sozialbedingung hingegen reagierten 26 von 38 Kindern mit Stolz und 15 Kinder mit Scham. Fünf der Kinder zeigten gar keine der genannten Reaktionen.

Bei der Prüfungsphase zeigten in der Alleinbedingung drei Kinder Stolz und zwei Kinder Scham, während in der Sozialbedingung 22 Kinder mit Stolz und 26 mit Scham. Es waren wiederum fünf Kinder, die keine der Reaktionen zeigten, wobei drei davon auch in der Interventionsphase ohne Reaktion waren.     

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Kinder, obwohl ihnen die Tüchtigkeitsmaßstäbe bekannt waren, wieder nur in der Sozialbedingung erfolgsmotiviert Handeln. 

Es wurden auch die unmittelbaren Effekte der erfolgs- und misserfolgsorientierten Interventionsstrategie ermittelt: Die Stolzreaktion war in allen Versuchsgruppen der Sozialbedingung nahezu gleich, während die Schamreaktion in der misserfolgsorientierten Gruppe wesentlich höher war als in der erfolgsorientierten. Weiters waren die Kinder in der Alleinbedingung weniger ausdauernd als in der Sozialbedingung, wobei die erfolgsorientierte Strategie eine weitaus höhere Ausdauer erbrachte. Auch Misserfolge konnten in der Sozialbedingung wesentlich besser verkraftet werden, wobei hier die Frustrationstoleranz der misserfolgsorientierten Gruppe wesentlich höher war. 

Bezieht man diese Ergebnisse auf die oben genannten Hypothesen resultiert daraus folgendes:

Die erste Hypothese wird durch die Ergebnisse bestätigt. Den Kindern waren die Tüchtigkeitsmaßstäbe bekannt, dennoch reagierte sie fast ausschließlich in Beisein eines Erwachsenen mit Stolz oder Scham. Der Einwand, dass die Reaktionen in der Alleinbedingung lediglich nicht beobachtet werden konnten, wird entkräftet, da andere Emotionen (Freude, Ärger, Enttäuschung) auch sichtbar waren. Dennoch dürfen die Ergebnisse nicht generalisiert werden, da bei diesem Versuch nur vorgegebene Aufgaben zu bewältigen waren, die Reaktionen bei selbstgestellten Aufgaben könnten ganz andere Ergebnisse bringen. 

Bezüglich der zweiten Hypothese wurde bestätigt, dass erfolgsorientierte Intervention mehr Stolz bei Erfolgen, nicht aber weniger Scham bei Misserfolgen bewirkt. Es wurde auch beobachtet, dass die Ausdauer und Misserfolgstoleranz in der Alleinbedingung wesentlich niedriger waren als in der Sozialbedingung, was vermutlich darauf zurückzuführen, ist dass Kinder ihre Ergebnisse einem Erwachsenen präsentieren wollen.     

Auch die dritte Hypothese konnte bestätigt werden, da bei der misserfolgsorientierten Intervention die Ausdauer und die Fehlertoleranz gesunken ist und auch in der Prüfungsphase Zurückhaltung zu erkennen war. Bei der erfolgsorientierten Interventionsstrategie konnten in der Prüfungsphase wesentlich mehr Misserfolge ertragen werden und auch die Theorie, dass erfolgsorientierte Intervention leistungsmotiviertes Handeln fördert, konnte bestätigt werden.   


Eine zweite Zusammenfassung:

Eine Untersuchung zum Thema Leistungsmotivation im Vorschulalter

Verschiedene Theorien zur Entstehung der Leistungsmotivation besagen, dass Leistungsmotivation in der Übergangsphase vom Kleinkind- zum Vorschulalter entsteht. Das Auftreten einer selbständig vorgenommenen Bewertung anhand eines Bewertungsmaßstabs der Tüchtigkeit wird als Beginn des leistungsmotivierten Handelns betrachtet (vgl. Holodynski 2006, S.2). „Ob ein Kind leistungsmotiviert handelt, lässt sich daran erkennen, dass es mit Stolz auf seine Erfolge bzw. mit Scham auf seine Misserfolge reagiert“ (Holodynski 2006, S.2). 

Stipek, Recchia und McClintic (1992) und Holodynski (1992) schlagen jeweils ein Phasenmodell zur Entwicklung leistungsmotivierten Handelns vor, das „die soziale Bewertung der kindlichen Handlungen durch seine Bezugspersonen als wesentliche Vermittlungsinstanz im Übergang zu einer leistungsorientierten Selbstbewertung ansieht“ (Holodynski 2006, S.3). 

„Unterschiede bestehen allerdings in der Einschätzung, über welche Altersspanne die soziale Vermittlung durch Fremdbewertung erforderlich bleibt, um leistungsmotiviertes Handeln zu induzieren“ (Holodynski 2006, S.2). 

Stipek und Mitarbeiter nehmen an, „dass Kinder bereits mit 3 Jahren autonom leistungsmotiviert handeln können, da sie mit Stolz auf Erfolge und mit Scham auf Misserfolge reagieren, ohne dass ein Erwachsener zuvor eine leistungsorientierte Bewertung ihres Handelns vorgenommen hat“ (Holodynski 2006, S.3). 

Demgegenüber behauptet Holodynski (1992), „dass im Vorschulalter leistungsmotiviertes Handeln noch an die  Anwesenheit einer anderen (erwachsenen) Person gebunden ist, die aus der Perspektive des Kindes den Tüchtigkeitsmaßstab verkörpert“ (Holodynski 2006, S.3). 

Es ist das Ziel der vorliegenden Studie diese letzte Annahme empirisch zu prüfen und außerdem abzuschätzen, welchen Effekt die soziale Bewertung auf die Stärke und Ausdauer leistungsmotivierten Handelns hat (vgl. Holodynski 2006, S.3). 

In der Studie wurden folgende Hypothesen geprüft:

  1. Nach dem Internalisierungsmodell von Holodynski (1992) zeigen Vorschulkinder leistungsmotiviertes Verhalten nur in Anwesenheit wertgeschätzter Erwachsener, aber nicht alleine (vgl. Holodynski 2006, S.6).
  2. Die zweite Hypothese besagt, „dass bei einer erfolgsorientierten Interventionsstrategie im Vergleich zu einer misserfolgsorientierten mehr Stolz und weniger Scham auftreten und dass das Leistungsverhalten ausdauernder und misserfolgstoleranter ist“ (Holodynski 2006, S.7).
  3. In der zweiten Hypothese wurde angenommen, „dass eine erfolgsorientierte Interventionsstrategie positive Transfereffekte auf das Leistungsverhalten in einer anschließenden Prüfungsphase nach sich zieht, und zwar sowohl in einer Sozial- als auch in einer Alleinbedingung, und eine misserfolgsorientierte Interventionsstrategie negative Transfereffekte“ (Holodynski 2006, S.7). 

Die Probanden waren 19 Jungen und 19 Mädchen im Alter zwischen  42 und 81 Monaten. Die Untersuchung fand in zwei städtischen Kinderhorten statt. Die Kinder mussten ein Set unterschiedlich schwieriger Puzzles zusammensetzen. Sie wurden in Anwesenheit eines Erwachsenen und alleine getestet. Im ersten Fall sollte das Kind dem Versuchsleiter zeigen, wie viele Puzzleaufgaben es lösen konnte. Im zweiten Fall sollte das Kind die Aufgabe alleine und ohne Anwesenheit des Versuchsleiters lösen (vgl. Holodynski 2006, S.7). 

Ergebnisse dieser Untersuchung

In der Prüfungsphase trat bei Testung der ersten Hypothese bei der Mehrheit der Vorschulkindern Stolz und Scham nur bei Anwesenheit eines Erwachsenen auf, aber nicht als sie alleine getestet wurden. Das Ergebnis bestätigt die Hypothese von Holodynski (1992), dass leistungsmotiviertes Handeln bei Vorschulkindern an die Präsenz eines wertgeschätzten Erwachsenen gebunden ist. Seine Anwesenheit zeigt dem Kind, dass es „gesehen“ wird und seine Handlungsergebnisse nach Tüchtigkeitskriterien bewertet werden können. Es konnte nicht bestätigt werden, dass sich Kinder ab 3 Jahren selbst autonom über Tüchtigkeitsmaßstäbe bewerten (vgl. Holodynski 2006, S.14). 

Bei Testung der zweiten Hypothese wurde bestätigt, dass dann, wenn der Versuchsleiter die Bemühungen der Kinder deutlich wertschätzte, weniger Schamreaktionen, eine größere Ausdauer und eine positivere Erfolgsbilanz auftrat als bei der misserfolgsorientierten Strategie. (vgl. Holodynski 2006, S.15). 

Nicht bestätigt wurden die Hypothesen, „dass eine erfolgsorientierte Strategie zu mehr Stolzreaktionen und zu einer höheren Misserfolgstoleranz“ führt (Holodynski 2006, S.15). 

Bei der dritten Hypothese zeigte sich, dass wertschätzendes Verhalten von Erwachsenen das leistungsmotivierte Handeln von Vorschulkindern deutlich steigert. Wenn aber diesen Kindern bei Misserfolgen nur die Frage „Kannst du das nicht?“ gestellt wurde, wurde ihre Leistungsmotivation nachhaltig gedämpft (vgl. Holodynski 2006, S.16).

Quelle

Holodynski, M. (2006). Die Entwicklung der Leistungsmotivation im Vorschulalter. Soziale Bewertungen und ihre Auswirkungen auf Stolz-, Scham- und Ausdauerreaktionen. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 38, 2-17.




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