Eine normale Lesegeschwindigkeit wird nur nach einem langjährigen Lernprozess erreicht. Die Pisa-Studie hat herausgefunden, dass deutsche Schüler große Leseprobleme haben und es bereits etwa 4% Analphabeten in Deutschland gibt. Lesen hängt mit dem Zusammenwirken von visueller und sprachlicher Verarbeitung zusammen (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
0,25 Sekunden schaut das Auge auf das Sehobjekt um die Erregbarkeit des Sehfarbstoffes wiederherzustellen. 0,15 und 0,35 Sekunden beträgt die Dauer der Fixierung, die von der Schwierigkeit des Textes abhängig ist (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
Um rasch und genau Details zu erkennen haben wir die Fovea, auch
Gelbe Fleck. Die Fovea ist klein und hat im Abstand von 57 Zentimetern
nur eine Breite von zwei Zentimetern. Nur wenige Zentimeter neben der
Sehachse erreicht die Sehschärfe wegen der geringen Sehzelldichte nur
noch etwa ein Drittel des zentralen Wertes, daher spricht man auch von
einem kleinen „Sichtfenster“. Anfänger sehen nur einen Buchstaben,
Fortgeschrittene hingegen können ein ganzes Wort erkennen (vgl.
Krischer, Zangemeister & Meißen 2005,
S. 293ff).
Die sog. phonologische Bewusstheit ist maßgeblich für die Sprachbildung. Sprachbildung ist die Fähigkeit, aus Buchstabenfolgen im Text sprachliche Laute zu bilden und dies macht Anfängern, Personen mit Sprachdefiziten (Ausländer, Sprachbehinderte oder Legastheniker) Probleme. Zu kleine und zu große Buchstaben sind schlecht zu lesen, da Erkennungsprobleme und Unübersichtlichkeit Schwierigkeiten machen (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
Beim Lesenlernen sollen die Übungstexte in ihrer Schwierigkeit auf die jeweilige Lesefertigkeit abstimmt sein, damit man eine optimale Lesebedingungen mit einem gleichmäßigen Lesefluss erreicht. Die Sprachbildung setzt eine rasche visuelle Erkennung der Schriftzeichen mit dem zentralen Sehvermögen voraus (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
Der Computer erzeugt eine horizontal gleitende Textdarbietung. Die Computerunterstützung beim Lesenlernen erscheint für lese- oder rechtschreibschwachen Kindern oder erwachsenen Analphabeten außerhalb des Klassenzimmers sinnvoll. Die Gleitzeile gefällt den Kindern sehr, weil der bewegte Text ihre Aufmerksamkeit fesselt und ihnen das Lesen Freude macht (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
Der Hauptgrund für die Beliebtheit dieser Gleitzeile ist die unbewusste Blickbewegungssteuerung. Bei gleitender Textdarbietung ist der relative Zuwachs größer als bei stehender Textdarbietung. Durch den erfolgreich durchgeführten Förderunterricht in der 2. Klasse Grundschule bei leseschwachen Kindern, zeigt sich, wie wichtig kleine Schülerzahlen in Klassen sind (vgl. Krischer, Zangemeister & Meißen 2005, S. 293ff).
Sprechen zu lernen ist eine der zentralen Lernleistungen, die Kleinkinder bzw. Kinder zustande bringen müssen, und sie tun das in rasanter Geschwindigkeit. Dabei lernen Kinder das Verstehen noch vor dem Sprechen, wobei ein zweijähriges Kind normalerweise bereits etwa 500 Wörter verstehen kann, auch wenn es noch in Zwei-Wort-Sätzen spricht. Eine Vielzahl von Studien bestätigt den starken Einfluss des Sprachverhaltens von Eltern auf die kindliche Sprachentwicklung, denn es kommt stets auf die Familie an, auf das gemeinsame Spielen und das Vorlesen von Bilderbücher. Eine Studie (Vorlesestudie 2018 der deutschen Stiftung Lesen) hat gezeigt, dass Eltern mit regelmäßigem Vorlesen ihren Kindern das Lesenlernen deutlich erleichtern können. Dabei zeigte sich, dass vier von fünf Kindern, denen mehrmals in der Woche oder auch täglich vorgelesen wurde, das Lesenlernen später in der Schule leichter fällt, während bei jenen Kindern, die diese Erfahrung selten bzw. nie gemacht haben, nur 50 Prozent das Lesenlernen ohne Probleme bewältigen. Hinzu kommt, dass Kindern, denen nie vorgelesen wurde, auch sehr ungeduldig und genervt auf das Lesenlernen reagieren und dieses als sehr anstrengend empfinden. Jedes zweite Kind ohne Vorleseerfahrung hat nämlich gedacht, dass Lesenlernen schneller geht, während Kindern, die täglich Märchen und Geschichten gehört haben oder hören, das nur zu einem Viertel behaupten. Eine Konsequenz wäre daher, dass bei einem Ausfall der Eltern etwa aus bildungsfernen Schichten Kinder an jeder Schule auch Leseangebote für ihre Freizeit finden können.
Birte Thissen hat untersucht, unter welchen Bedingungen beim Lesen
ein Flow entstehen kann, also dass LeserInnen komplett in dieser
Tätigkeit aufgehen. Sie fand zahlreiche Komponenten, die beim Flow eine
Rolle spielen, wobei sich diese sich zum einen auf starke Konzentration
oder Absorption beziehen und sich in einem starken Fokussieren der
Aufmerksamkeit äußern, d. h., man vergisst seine Umgebung, verliert das
Zeitgefühl und das Ich-Bewusstsein. Andere Komponeten des Flow haben mit
der Verarbeitungsflüssigkeit zu tun, d. h., im Flow hat man das Gefühl,
klare Zielvorstellungen und alles unter Kontrolle zu haben. Intuitiv
weiß man, was man zu tun hat und muss nicht über seinen nächsten Schritt
nachdenken. In dieser Situation hat man das Gefühl, dass die Aktivität
weder über- noch unterfordert. Die übrigen Flow-Komponenten beziehen
sich auf die Freude am Tun, denn kommt eine Motivation aus einem selbst
heraus, ist die Motivation intrinsisch, und es spielen etwa Belohnung
oder Strafe keine Rolle. Das Besondere beim Lesen ist, dass es eine rein
mentale Tätigkeit ist, denn die eigentliche Aktivität beim Lesen
besteht nicht in der Dekodierung von Buchstaben, sondern es geht um das
Konstruieren eines mentalen Modells. Dieses Modell beinhaltet mentale
Repräsentationen von Figuren, Geschehnissen und Schauplätzen der
Geschichte im Buch. Der Text gibt hierzu einerseits Informationen, man
muss sie aber auch verarbeiten können, wozu man ein passendes kognitives
Schemata braucht, also Leitfäden, die man sich durch Lernen und
Erfahrung erworben hat. Wenn etwa in einem Kriminalroman von einem
Gärtner mit blutigen Händen die Rede ist, ist es vorteilhaft zu wissen,
dass blutige Hände oft für einen Mord sprechen, und der Gärtner häufig
als Täter in Frage kommt. Je flüssiger es gelingt, Informationen aus dem
Text mithilfe der eigenen kognitiven Schemata in einem kohärenten
mentalen Modell zusammenzubauen, desto eher kommt man beim Lesen in den
Flow. Was die Sache schwierig macht, ist, dass Flow sehr individuell
ist, d. h., man muss herausfinden, was für welche Leser herausfordernd
ist. Dass Leser und Buch optimal zueinander passen, ist schwieriger zu
beeinflussen als etwa bei einem Computerspiel. Computerspiele mit ihren
unterschiedlichen Schwierigkeits-Levels sind tatsächlich sehr geeignet,
um den optimalen Herausforderungsgrad und damit den Flow zu finden,
wobei auch die kognitiven Fähigkeiten, die man beim Computerspielen
braucht, bei Jugendlichen inzwischen oft besonders gut ausgebildet sind,
da sie schon von klein auf am Computer oder am Handy trainiert werden.
Somit fällt es ihnen leichter beim Computerspiel direkt in den Flow zu
kommen. Vielleicht wurden früher eher die Fähigkeiten trainiert, die man
beim Lesen braucht und die einem dort schnell zum Flow verhelfen
können.
Zusammengefasst nach einem Interview von Uwe Ebbinghaus mit der Autorin in der FAZ.
Krischer, Christopf C., Zangemeister, Wolfgang H. & Meißen, Ralf (2005). Lesenlernen leicht gemacht. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 52 293-300.