Georg Breidenstein und Helga Kelle
Unter peer culture bei Kindern und Jugendlichen verstehen die Autoren Interaktionen, bei denen sich Kinder und Jugendliche aneinander orientieren und somit eine (Sub-)Kultur schaffen, die ihren eigenen Regeln folgt. Der Begriff peers erfasst dabei nicht nur den Freundeskreis, an dem man sich als Kind und Jugendlicher orientiert, sondern auch allgemeine jugendkulturelle Trends in der Gruppe der Gleichaltrigen (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 319).
Eine Schulklasse kann als Paradebeispiel für peer culture dienen, da Mitschüler nicht immer Freunde sind, aber meist auch nicht nur Gleichaltrige, sondern Gleichaltrige, an denen man sein Verhalten im Alltag orientiert (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 319).
Die Peer Culture Forschung betrachtet im Gegensatz zur Unterrichts- oder Schulforschung die Kinder und Jugendlichen von einer anderen Seite als die pädagogische, da sie fragt, was Schule für Kinder jenseits des Unterrichts bedeutet (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 319f).
Deshalb wird auch von Seiten der Schulforschung die Peer Culture Forschung kritisiert. Durch die „neuen Grenzziehungen“ (Helsper 2000 zit. Nach Breidenstein & Keile 2002, S. 320) zwischen Peer Culture Forschung und Unterrichtsforschung fehle der Einbezug der jeweiligen anderen Forschungsrichtung. Breidenstein & Kelle gehen aber auch darauf ein und weisen darauf hin, dass eine Trennung von peer culture und Unterrichtskultur in der sozialen Wirklichkeit nicht möglich ist, da sie sich kontinuierlich beeinflussen (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 320f).
Die Autoren geben vier Perspektiven an, auf denen sich der Einfluss der Institution Schule bzw. des Unterrichts auf die peer culture begründet.
Die Schule behandelt die Schüler grundsätzlich gleichwertig. Daraus sind die Schüler dazu aufgefordert, sich selbst zu differenzieren und ihr Verhältnis zu den anderen Schülern zu definieren (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 321).
Die Schulklasse ist auch immer Publikum. Als Schüler wird man immer beobachtet, nicht nur durch den Lehrer zur Beurteilung von Leistung und Lernfortschritt, sondern auch von den anderen Mitschülern. Die peer culture ist damit unweigerlich von der Unterrichtsform beeinflusst (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 321).
Die Zugehörigkeit zu schulischen Organisationseinheiten (zB Tischgruppen, Kursen, …) ist das dritte Merkmal, das die peer culture beeinflusst. Die organisatorisch begründete Einteilung in Kleingruppen schafft durch Vergemeinschaftung und Abgrenzung unterschiedliche Identitäten (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 321).
Als vierte Bedingung zur Entstehung einer spezifischen peer culture führen Breidenstein & Kelle die Auseinandersetzung mit der Autorität Erwachsenenwelt an. Um Akzeptanz bei den Mitschülern zu erreichen ist die Differenz zur Lehrkraft notwendig. Breidenstein & Kelle geben ein Beispiel an, in dem die Differenzierung zur Lehrkraft mit dem Älterwerden der Schüler zunimmt (vgl. Breidenstein & Keile 2002, S. 321f).
Breidenstein & Kelle stellen zusammenfassend drei Thesen auf:
Breidenstein, Georg & Keile, Helga (2002). Die Schulklasse als Publikum. Zum Verhältnis von Peer Culture und Unterricht. Die Deutsche Schule, 94, 2002, Heft 3, S. 318-329